In Art. 240 § 7 EGBGB wurde festgelegt, dass für den Fall, dass vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen verwendbar sind, vermutet wird, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Bedeutet dies nun, dass der Mieter aufgrund von Corona-Maßnahmen keine oder nur eine eingeschränkte Miete zahlen muss? Oder umgekehrt: Muss der der Vermieter einen Mietausfall oder eine Mietminderung hinnehmen?
Seit Monaten verfolgen wir die aktuelle Rechtsprechung zu gekürzten Mietzahlungen für Gewerberäume infolge der Corona-Pandemie. Vor etwa drei Wochen nahmen wir an einer Online-Konferenz der Humboldt-Universität Berlin zu diesem Thema teil. Wir können so viel vorwegnehmen: es bleibt spannend. Für uns stellt sich insbesondere die Frage: Wie wird der BGH entscheiden und brauchen Neuverträge vorsorglich eine „Pandemieklausel“?
Divergierende OLG-Entscheidungen
Es lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorhersagen, wie eine Entscheidung des BGH ausfallen wird. Streitig sind insbesondere die Fragen nach dem Vorliegen eines Sachmangels sowie die Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrundlage. In Kürze lassen sich die bisher bekannten OLG-Entscheidungen wie folgt skizzieren:
Gericht / Entscheidung | Sachmangel | Wegfall der Geschäftsgrundlage |
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OLG Dresden (Urteil vom 24.02.2021, Az. 5 U 1872/20) | (+), aber trotzdem keine Mietminderung | (+), Absenkung der Kaltmiete um 50 %, gleichmäßige Verteilung des Risikos auf beide Vertragsparteien |
OLG Nürnberg (Beschluss vom 19.10.2020, Az. 13 U 3078/20) | wohl (+), Annahme sei mit beachtlichen Gründen vertretbar | hierzu keine Entscheidung |
OLG Karlsruhe (Urteil vom 24.02.2021, Az. 7 U 109/20) | (-), mangels konkreter Betroffenheit der Mietsache | (-), mangels mieterseitiger Darlegung einer schweren wirtschaftlichen Beeinträchtigung |
OLG München (Hinweisbeschluss vom 17.02.2021, Az. 32 U 6358/20) | (-), mangels konkreter Betroffenheit der Mietsache | (-), mangels mieterseitiger Darlegung, dass fehlende Anpassung wirtschaftlich untragbares Ergebnis |
Zwischen den OLGs ist (wohl) unstreitig, dass die aus der Pandemie folgende unmittelbare Einschränkung eines geregelten Geschäftsbetriebs außerhalb der gesetzlichen und - soweit nichts geregelt wurde - vertraglichen Risikoverteilung liegt. Streitig ist, ob dies unmittelbar zur Vertragsanpassung führt oder ob mieterseits darzulegen ist, dass die Aufrechterhaltung des Vertrages zu einem wirtschaftlich untragbaren Ergebnis führt, mithin ob staatliche Hilfen in Anspruch genommen wurden oder hätten genommen werden können (bspw. Zuschüsse, Kurzarbeit o. ä.) inwieweit der Umsatz eingebrochen ist, ob zumutbare Kostenreduktionen vorgenommen wurden, ob vorhandene Rücklagen aufgebraucht sind und anderes.
BGH-Entscheidung wohl noch in 2021
Im Rahmen der Online-Konferenz, an der der Vorsitzende des im Bereich des gewerblichen Mietrechts zuständigen XII. Zivilsenats - Herr Hans Joachim Dose - teilnahm, wurde ausgeführt, dass in 2021 wohl noch mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu rechnen ist. Jedenfalls haben das OLG Dresden und das OLG Karlsruhe in ihren Entscheidungen die Revision zum BGH zugelassen.
Brauchen Neuverträge eine Pandemieklausel?
"Eine Pandemieklausel wird Standard werden"1 hieß es kürzlich in einem Beitrag auf Legal Tribune Online. Ist dem wirklich so? Wir meinen: es schadet nicht.
Im Falle einer (vergleichbaren) Krisenlage werden die Mietvertragsparteien mehr als genug mit anderen Problemen beschäftigt sein, so dass etwaige rechtliche Streitigkeiten bestenfalls zu vermeiden sind. Es sollte also vereinbart werden, was in solchen Zeiten gilt. Was es hier aber nicht gibt: die eine Standardklausel für künftige (derzeit in ihrer Form noch unbekannte) Krisenlagen. Beispielhaft wird eine vorübergehende Suspendierung der Leistungspflichten wie bei nur punktuellen Rechtsverhältnissen im Falle höherer Gewalt (sog. „Force Majeure-Klauseln“) der Interessenslage bei der Gewerberaummiete nicht gerecht. Zwischen den Parteien sollte daher vertraglich festgelegt werden, wie ein entsprechendes Risiko zu verteilen ist.
1 www.lto.de/recht/hintergruende/h/gewerbe-miete-vermutung-toerung-geschaeftsgrundlage/ (zuletzt abgerufen am 30.03.2021)